Es gibt Freifunker, die ich in die Schublade „Zombi-Apokalyptiker“ ordne:
Freifunk als „nicht abschaltbares Netz“.
Diese Vision habe ich nicht, denn selbst wenn wir lokale Wolken bauen, die potentiell auch lokale Dienste hosten könnten. Und die auch laufen würden, wenn die Gateways „aus“ sind: Die Größe der lokalen Wolken ist begrenzt. Und wird das auch in absehbarer Zeit bleiben.
Selbst in einer Düsseldorfer Wifimesh-Wolke von mehr als 40 Nodes gibt es nicht einen halbwegs öffentlichen lokalen Dienst.
Und selbst wenn: Wenn es zur Apokalypse käme: Entweder wäre der Netzstrom binnen Stunden weg (oder aktiv abgeschaltet von denjenigen, die das wollen).
Oder wenn das Netz doch mal hinreichend groß wäre für solche Dienste und Notstromdiesel hätte: Dann säßen auch irgendwo V-Leute (oder wie immer man sie nennen könnte), die schon dafür sorgen, dass das Netz im richtigen Moment zusammenbricht. Wäre ja keine schwarze Magie, das zu bewerkstelligen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Gegen echte Naturkatastrophen oder gegen einen möglichen großen politisch motivierten Durchgriff wird Freifunk sich nicht verteidigen können.
Nur warum mache ich jetzt Freifunk?
Internet gibt es schließlich zu Dumpingpreisen an jeder Ecke, ich habe mehrere Simkarten mit jeweils 1GB (oder mehr) Freitraffic im Monat.
Und technisch ist das was wir Freifunker da mit Wifi und BatmanAdv anstellen zwar ein toller Hack, aber mehr auch nicht.
Das was wir da tun ist technisch ineffizient. Und die Gestehungskosten „pro GB am Endgerät“ sind um ein Vielfaches höher als bei den großen Mobilfunk-Providern. Selbst wenn man bei den Providern die Kosten für das technische Personal mit einrechnet und bei Freifunk diese außen vor lässt.
Es kann auch nicht darum gehen, in kollektiver Selbstausbeutung sich krummzubuckeln dafür dass andere dann doch nicht so richtig bei Youtube HD schauen können wie sie gern wollten.
Ganz ehrlich: Mir reicht es, wenn bei uns jede TeilnehmerIn nur 2MBit/s bekommt, auch inklusive meiner Person. Warum?
Was ist es also, was Freifunk ausmacht, so wie wir es heute machen?
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Reicht es, Erfahrungen mit Netzbetrieb sammeln zu wollen?
Das ist doch eher eine leidige Pflichtübung, wie wir an dem eklatanten Admin-Mangel sehen. Viel Arbeit, wenig Lob, noch weniger Ehr. -
Oder ohne kommerziellen Druck neue Konzepte auszuprobieren?
Dafür passiert in dieser Richtung einfach viel zu wenig, also dass das etwas erklären könnte. -
Oder geht es darum, aus Prinzip „den Kommerziellen“ in die Suppe spucken zu wollen? Damit würde ich mich doch als Krämerseele outen.
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Selbst Internetprovider sein, um zu wissen, „was da drin ist“. So wie man Brot auch selbst backt… ohne Backmischung. Oder seinen Auto selbst repariert, notfalls auch mit mit OBD-Adapter und Laptop, um getauschte Steuergeräte einzubuchen.
Das ist nicht einfach, es spart auch -siehe Brotbacken- unterm Strich kein Geld. Aber zumindest ich habe dabei das Gefühl, ein Stück Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit zurückgewonnen zu haben.
Und ein wenig geht es auch in die Richtung Gesangsverein und Spielmannszug: natürlich kann man sich das alles in viel besserer Qualtität bei itunes herunterladen (oder raubmordkopieren): Trotzdem finden sich Mensch zum gemeinsamen Musizieren zusammen und haben Spaß dabei, selbst wenn die meiste Zeit geübt und geprobt wird für eine Veranstaltung, wo es dann trotzdem immer noch eine Amateur-Veranstaltung bleibt.
Wie ist die Motivationslage bei Euch?
Vielleicht fehlt mir schlicht die große revolutionäre Sichtweise oder dialektische Perspektive eines historischen Materialismus’ mit der Vergesellschaftung der Netzrouting-Mittel…