Diese Woche flatterte bei uns in FFHEF eine zu Freifunk kritische Mail in unser Postfach. Wir haben uns überlegt, wie wir am besten reagieren und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir eine offene Diskussion darüber am Besten finden. Ganz freifunkerisch. Gerade auch, wenn es um so aktuelle Themen wie in der Mail geht. Und weil wir der Meinung sind, dass der Blick auf andere Sichtweisen immer gut ist.
Natürlich haben wir den Namen nicht veröffentlicht. Es soll die Entscheidung des Verfassers bleiben, ob er mit uns offen diskutiert oder nicht.
Hier die Mail und unsere Antworten:
Liebe Freifunker,
zunächst Glückwunsch zu eurem (auch technisch) spannenden Projekt in unserem Hennef!
Hi!
Danke! Das freut uns sehr. Gerade auch die Unterstützung in der Bevölkerung aber auch von städtischer Seite haben uns auch positiv überrascht.
Eure Beschreibung der „VDS“ (korrekterweise: Verkehrsdatenspeicherung; vormals Verbindungsdaten) trifft so allerdings nicht zu:
„Wenn man sich die Sammlung der Daten einmal anders vorstellt, wir es vielleicht etwas bildlicher. Bsp.: Eine unbekannte Person steht jeden Tag und jede Nacht vor der eigenen Haustür. Sie dokumentiert lediglich wann man nach Hause kommt und wann man geht. Das hört sich doch sehr krass an und man würde sich sehr beobachtet vorkommen. Auf die VDS übertragen ist dies jedoch nur ein unwesentlicher Teil. In den Datenbanken der VDS ist nämlich nicht nur hinterlegt, wann man nach Hause kommt (durch Benutzung des eigenen Internetanschlusses) sondern auch auf welcher Seite man surft, mit wem man wie lange telefoniert, was man mit welcher Kreditkarte gekauft hat und eben auch was man wo gemacht hat, als man nicht zu Hause war.“
Bei den Providern werden lediglich Daten gespeichert, welche die Datenverbindung betreffen, nicht aber Inhalte der Kommunikation und auch nicht die aufgerufenen Internetseiten. Mit dem politisch ins Rennen geworfenen im Gesetz nicht vorkommenden und irreführenden Begriff „Vorratsdatenspeicherung“ hat man offensichtlich genau diese Irritation beabsichtigt, nämlich, dass alles, was über die Leitung geht, aufgezeichnet wird und mithin (durchaus nachvollziehbar) beim Bürger eine tiefe Abneigung gegen diesen (fiktiven) Umfang der staatlichen Datenprotokollierung ausgelöst. Und einmal ernsthaft: Wo und auf wessen Kosten sollten denn diese Unmengen an Daten praktisch gespeichert werden?
Bezüglich der Abkürzung haben Sie recht. Da waren wir etwas inkorrekt (Ähnlich wie die Politik, die uns weiß machen möchte, dass die VDS unser Leben sicherer macht). Wir haben das direkt mal angepasst in: „…sondern auch mit wem man wie lange telefoniert, wann man von wem eine SMS bekommen hat und eben auch, wo man genau war, als man das Internet unterwegs - also nicht zu Hause - benutzt hat.“.
Danke für den Hinweis!
Aus meiner Sicht als Cybercrime-Ermittler der Bonner Kriminalpolizei finde ich den Umstand äußerst bedauerlich, nämlich dass durch reine Polemik und Politik ein tiefes Misstrauen in polizeiliches Denken und Arbeiten gesät wurde, dass in dieser Form ungerechtfertigt ist - zumal die Eingriffsvorraussetzungen hoch sind und unter Richtervorbehalt stehen! Ich bin sicher, dass die großen Dataminer Google, WhatsApp, Facebook & Co ein wesentlich mehr Skepsis und Misstrauen verdient haben. Nur skurril, dass sich dort nahezu jeder völlig schmerzfrei mit persönlichsten Daten in einer Form outet, dass man regelrecht schreien möchte. Und dagegen gibt es keinen Schutz - die Leute tun es ja gerne und freiwillig
Aus einer kleinen Feinheit in unserer Formulierung direkt Polemik und Misstrauensschaffung zu unterstellen liegt sicher im Rahmen Ihrer freien Meinungsäußerung. Wir sind nicht der Meinung, dass Kritik an der VDS gleichzusetzen mit Kritik an Polizeiarbeit ist.
Das mit dem Richtervorbehalt ist korrekt. Was nicht heißt, dass ein Richter bei der aktuellen Situation recht schnell ein „Ja“ verlauten lässt. Dazu kommt, dass die Daten durch einen Richter nicht besser vor Angriffen von etwas weniger legalen „Dataminern“ geschützt sind. Auch wenn er noch so böse guckt.
Unbestritten haben Sie Recht damit, dass „die Leute“ in aller Regel zu sorglos mit ihren Daten umgehen. Aber: Das ist allein die Entscheidung der User, was bei einem Gesetz nicht der Fall wäre. Im Übrigen setzten wir uns als Communtity stark für den Bewussten Umgang mit persönlichen Daten und Aufklärung darüber ein. So kann jeder selber entscheiden ob er preisgibt, dass er z.B. Vorsitzender eines Angelclubs ist, das seine Handnummer mit 0151 anfängt, er in einer DHH in der Alf-Sonstwas-Straße wohnt oder für eine Gewerkschaft tätig ist.
Durch die zunehmende Liberaliät unserer Gesetze sowie technische Hürden, wie VPN-Tunnel, Proxyserver u.s.w., können inzwischen viele Straftäter überhaupt nicht mehr ermittelt werden. Wollen wir das etwa? Auch, dass Schwerstkriminelle, Pädophile und Terroristen unser Internet anonym als Werkzeug und Kommunikationsplattform für ihre kriminellen (letztlich unserer Gesellschaft schadenden) Machenschaften benutzen können?! Wie würdet ihr euch bei dem Gedanken fühlen, wenn sich beim Hennefer Rosenmontagszug ein Selbstmordattentäter mit vielen Unschuldigen zusammen in die Luft sprengt und die Terroristen den Anschlag zuvor über eure Freifunk-Infrastruktur verabreden konnten. Und zwar genau, weil dort polizeiliche Ermittlungen nicht möglich sind…
Was Sie nun bezüglich krimineller Machenschaften sagen, damit können wir nun einmal nicht konform gehen. VPNs, Verschlüsselungen, TOR und dergleichen sind nicht Freifunkeigen; wir schützen also nicht „die Terroristen“, wie man uns vielleicht unterstellen mag, wir schützen jene, die bereit sind, ihren Internetanschluss mit anderen zu teilen, Stichwort Störerhaftung.
Ansonsten setzen wir auf die „deutsche Lösung“ - wir sagen klipp und klar, dass man Straftaten gefälligst nicht über Freifunk begehen soll. Und weil wir das sagen, macht das auch keiner. Nunja - dass dies dieselbe Wirkung hat wie die politische Lösung (einen Haken bei „Ich tu nix böses!“ setzen) ist uns auch klar.
VPN und Proxi sind auch nicht als Werkzeuge für böse Buben entwickelt worden, sondern sind vielmehr ein Standard zur Verbindung z.B. in Firmennetzwerke. Jede Behörde nutzt sowas. Z.B. auch der Bundestag. Und da natürlich auch Herr Edathy. Übrigens tat er das auch schon zu Zeiten der ersten VDS-Periode, was den geschändeten Kindern offenkundig leider nicht ganz so viel gebracht hat.
In diesem Zusammenhang bitten wir darum, von der üblichen Polemik Kinderschänder/Terrorismus Abstand zu nehmen. Das ist in unseren Augen lediglich FUD.
Sowohl Pädophile als auch Terroristen wissen sich zu schützen - dazu bedarf es keines Freifunkes. Und auch nicht der Überwachung der gesamten Bevölkerung.
Auch sehen wir uns etwas persönlich angegriffen, denn Sie behaupten ja letztlich, dass wir Pädophile und Terroristen indirekt unterstützen. (Ironie: Also zumindest mal ich habe keine Kinderporno schauende IS-Zelle im Keller. Allerdings habe ich auf dem Dachboden noch nicht nachgeschaut…)
Hinsichtlich des hohen Rechtsgutes Datenschutz bin ich gerne auf eurer Seite, aber unbedingt davon überzeugt, dass man seinem Staat nicht sämtliche Zähne ziehen darf. Eine zum Papiertiger gemachte Polizei kann uns Bürger nicht mehr wirksam schützen!
Letzten Endes ist es Aufgabe der Politik, einen gangbaren Kompromiss zwischen Strafverfolgung und Schutz der Rechte eines jeden Einzelnen zu finden. Für die Inkompetenz der (meisten) Politiker sollte aber auch nicht jeder Bürger büßen müssen.
Zum Papiertiger: Ist das ein Vorwurf an uns oder nur ein allgemeiner Ausdruck von Unzufriedenheit? Wir jedenfalls tun etwas, dass sowohl von unserer Stadt, dem Kreis und auch dem Land aktiv durch Aufklärung und Finanzmittel unterstützt wird. Daher ggf. mal da melden.
< ironie>In diesem Sinne gehen wir davon aus, dass Sie zumindest uns warnen bevor der Anschlag in Hennef stattfindet. Wir versuchen dann, die Router zumindest rund um den Explosionsort der Bombe abzuschalten - vielleicht sind dann dadurch ja weniger Leute vor Ort. UND wir retten das Equipment.< /ironie>
Lange Rede, kurzer Sinn: Wir nehmen Kritik im Hinblick auf offensichtliche Fehler gerne an, aber das auch nur, wenn wir die Fehler machen.
Sie sind herzlich eingeladen, Ihre Ansichten mit uns auf einem unserer Treffen zu diskutieren - allerdings würde ich hierbei auch mit kräftigem Gegenwind rechnen. Dort werden ggf. sogar Kollegen von Ihnen da sein, welche selber bei uns aktiv sind. Wir können Ihnen dann auch gerne näher erklären, wo unsere dunklen Tunnel enden und wie massiv viele Proxies wir betreiben. (Die Einladung ist ernst gemeint!)
Auch überlegen wir noch, mit der Kripo-Bonn Kontakt aufzunehmen, um das Thema tatsächlich mal ganz offiziell zu diskutieren. Vielleicht können wir dadurch Ressentiments ggü. FreifunkerInnen abbauen und falsches technisches Verständnis der Freifunk-Technik reduzieren. Haben Sie da ggf. einen passenden Kontakt?.
In diesem Sinne einen schönen Karneval und
Grüße aus Hennef,
xxx xxx
Eine Frage noch: Ihre Mailadresse lässt auf das „Enigma-Gerät“ schließen, welches von nicht so netten Menschen im 2. Weltkrieg zur Chiffrierung von Nachrichten benutzt wurde. Ist das so gedacht?
Grüße zurück,
Freifunk Hennef