Diese Regulierung zwar ein tolles Beispiel ist für „good intentions, turned out bad“.
Der Tiger ist jedoch bislang zahnlos geblieben.
Die Konsequenzen sind eher auf dem Level von „Ärgerlichkeiten“ und „hält keine ernsthaft Interessierten ab“ bis zur Lesart: „Diese Einstiegshacking-Hürde hat das Thema für einige erst richtig interessant gemacht und sie auf den Geschmack gebracht“
(Die diversen Dinge der vergangenen Dekaden, egal ob jetzt HDMI-HDCP, DVD-CSS, VHS-Macrovision oder das Fernmeldeanlagengesetz der Deutschen Bundespost: Die waren auf einem völlig anderen Niveau. Und auch die haben nicht gehalten. Weder in der alltäglich Praxis noch in der juristischen Konsequenz. Aber auch da: irgendwie natürlich alles ärgerlich und hat viele ‚Geschichten aus Absurdistan‘ produziert über die man hinterher anekdotisch erzählen kann über polizeiliche Hausdurchsuchungen wegen Betrieb eines Telefons an einem nicht zugelassenen Telefonkabel. Wenn man es richtig timed bekommt man dafür sogar einen Hacker-Film im Kino.)
Realistisch „für Freifunk“ ist das Fehlen von Opensource-Treibern für Broadcom-Wifi ein viel, viel größerer Hemmschuh als besagter „Firmware-Lockdown“.
Eben weil BCM eine so verbreitete Chipsatz-Familie ist. Man bekommt solche Geräte zwar dazu, einen Linux-Kernel zu booten und auch ein OpenWRT drauf. Aber dann gibt es keine (nach FOSS-Gesichtspunkten, also legal nutzbare) nutzbare Wifi-Treiber, was dann etwa so hilfreich ist wie ein Auto ohne Räder: Man kann ggf. bequem sitzen, ist vor Regen gschützt, kann Radio hören und evtl. gibt’s sogar Klimaanlage. (Und die Hacks die es gibt sind halt auf XDA-developers-style, also gepatchte BLOBs, die bei shady oneclick-hostern liegen und bei deren Verbreitung man sich nicht erwischen lassen darf, weil irgendwas mit Copyright.)
Umgekehrt will ich aber auch nicht verhehlen, dass die schnarchige Entwicklung von offenen Treibern für Mediatek (MTK-Wifi) zu Lasten der FOSS-Gemeinde geht.
Da fehlt nicht nur Funding (also Geld), sondern auch Projekt-Koordinierung.
Dort wären Sponsorgengelder und Mittel aus „Freifunk-Förderungen“ in den letzten 3-4 Jahren sehr sinnvoll verwendbar gewesen, um Treiber zu bekommen, die nicht nur einen „Minimum-Valuable“ Prototype darstellen, sondern wirklich 1)robust und 2) performant sind, so wie die OSS-Treiber für Atheros/QCA seit Jahren sind. (Und bevor jemand nitpickt: Auch dort gibt -wie überall- natürlich Luft nach oben, wo sich lohnen würde, Geld und Lebenszeit drauf zu werfen.)
P.S. Es gibt auch die Lesart (im Bereich der Verschwörungstheorie), dass die RED in der Praxis bislang eher eine EU/US-Markteintrittsbarriere ist.
Sich also als effektiv erwiesen hat, um den bestehenden Playern neue Konkurrenz vom Hals zu halten. also „kleinere Importeure“ oder Discount-B-Brands. Oder auch Direct-Imports der CE-Branche in der Weise zu erschweren, dass diese faktisch gezwungen sind, bei den etablierten Herstellern ‚whitelabel/ODM‘ zu kaufen, wenn sie wirklich OEM-Produkte wollen.
Warum:
Neulinge in dem Marktsegment haben es wirklich schwer, überhaupt zu lernen, wie sie rechtssicher Wifi-Produkte in die EU importieren können, ohne sich dem Risiko von Abmahnungen durch Mitbewerber auszusetzen. Das braucht Zeit, bindet Personal, verursacht hohe Einmalkosten (inkl. für Anwaltskanzleien und externe Consulting-Firmen, die abklären, welche Risiken real und welche nur auf dem Papier sind, damit die evtl. persönlich haftende Firmenleitung ruhiger schlafen kann. Dazu Verträge mit Benannten Stellen und der korrekten Veröffentlichung der DoC)
Worst case ist das Produkt dann technisch überholt wenn es erstmalig in den Vertrieb geht und der Preis ist eher unattraktiv.
Und der Markt-Neuling macht trotzdem noch an jedem einzelnen Gerät Verlust.
Sinnvollerweise begrenzt man dann die Stückzahl hart, als Kompromiss aus „Gesicht wahren, keinen totalen Fail abgeliefert zu haben“ und „die Episode nicht headline news im Finanzbericht werden zu lassen“.