Hallo zusammen,
bis vor ca. einem Monat hätte ich noch angenommen, dass Freifunk eigentlich eine wertfreie und politisch neutrale Technologie ist.
Durch die neuerdings aufgekommenen Diskussionen im Forum habe ich jedenfalls das Gefühl bekommen, dass Freifunk wohl auch eine gewisse politische Position bezieht, oder sogar eine politische Agenda hat. Politische Positionen, die hier aufgetaucht sind, scheinen zu sein:
- Freifunk darf auf keinen Fall an Geld gekoppelt werden. Es dürfen im Rahmen des Freifunkprojekts keine Dienstleistungen gegen Geld erbracht werden, teilweise wird das als unethisch bzw. Ausnutzung von freiwilliger Arbeit gesehen. Manche sehen Freifunk sogar als antikapitalistisch.
- Es darf in Freifunk keine Strukturen geben. Freifunk ist ein anarchistisches Projekt.
- Alle Knotenbetreiber müssen einen gewissen Grad von technischer Kompetenz aufweisen. Nicht versierte Interessenten müssen vorher eine Schulung über sich ergehen lassen, wie man Knoten flasht und konfiguriert.
- Wer sich nicht für den „Freifunkgedanken“ interessiert, soll keinen Knoten betreiben.
- Wer sich für Freifunk nur interessiert, weil er einfach einen Zugang in das Internet anbieten möchte, und Meshing nur als Nebenprodukt sieht, soll keinen Knoten betreiben.
Diese Ansichten scheinen schon seit Beginn des Freifunk-Projektes zu existieren, daher kann man nicht irgendwie behaupten, dass jemand Freifunk politisch kapern wollte, oder so. Wenn Freifunk von Anfang an politisch war, dann ist es eben so.
Das Problem, das ich damit habe, ist, dass ich einigen Leuten auf Nachfrage bereits gesagt habe, dass Freifunk unpolitisch ist. Ich dachte eben, dass sich unsere wenigen politischen Forderungen nur auf technisches beziehen, so z.B. die verpflichtende Netzneutralität oder die Ablehnung der Störerhaftung. Oft zitiert wurde da das Pico-Peering-Agreement.
Wenn sich in diesem Thread herauskristallisiert, dass ich da falsch lag, und Freifunk in der Tat eine politische Strömung ist, dann werde ich da bei einigen Leuten hausieren gehen müssen, um falsche Informationen richtig zu stellen.
Daher ist meine Frage: Wieviel Platz ist hier für Leute, die sich ausschließlich für Freifunk als technische Lösung für eine Vielzahl von Problemen im großen Themenfeld „Vernetzung“, „Kommunikation“, „digitale Teilhabe“ interessieren? Sind die oben genannten Ansichten wirklich integraler Bestandteil von Freifunk, oder muss man sie anders gewichten? Gibt es noch andere politische Aussagen, die ich vergessen habe? Wie ist der „Freifunkgedanke“ zu definieren?
Da dies ein heikles Thema ist, meine explizite Bitte: Ich frage hier vollkommen ergebnisoffen nach eurer Meinung, weil ich ein möglichst umfassendes Bild der politischen Ausrichtung von Freifunk haben will (wenn sie denn existiert). Falls diskutiert wird, dann bitte über Ideen und nicht Personen. In den Worten von @rahuelsm „Seid doch bitte nett zueinander“.
Und entschuldigt bitte den x-ten Aufguss der selben Thematik, aber das ist gerade recht wichtig für mein persönliches weiteres Vorgehen (und ggf. auch das von anderen Leuten).
Gruß
David