Hallo,
ich frage mich seit einiger Zeit, ob es ein interessantes und nützliches Projekt wäre, Katastrophenwarnungen direkt über Freifunk verteilen zu können. Als potenziell robuste Infrastruktur, wäre es ein weiterer Kanal, auf dem Menschen bei einer akuten Gefahr gewarnt werden könnten. Zudem könnten Knoten mit bekannten Standortdaten gezielt auf eine lokale Warnung reagieren.
Bisher bin ich noch nicht in die Tiefen der aktuell vorhandenen Lösungen vorgedrungen. Grundsätzlich gibt es aktuell diverse Möglichkeiten, wie Sirenen, Radio, Fernsehen, Massen-SMS usw… All diese Möglichkeiten haben selbstverständlich gewisse Nachteile und es ist nicht sicher gestellt, dass auch jeder rechtzeitig informiert werden kann.
Derzeit gibt es zumindest zwei offizielle Dienste (NINA und KATWARN), die über „mobile Daten“ warnen können. Die dort genutzte Infrastruktur ist derzeit leider nicht ausreichend, wie das OEZ-Attentat bewiesen hat. Die Kanäle SMS und Internet waren zeitweise überlastet. Die Freifunk-Infrastruktur vor Ort hätte zumindest theoretisch die Möglichkeit gegeben, einen Teil der Datenlast auf einen weiteren Kanal zu verteilen.
Aus rein technischer Sicht sehe ich keine große Hürde, die notwendigen Warnungen direkt in das Freifunk-Netz zu leiten. Die offiziellen Herausgeber sollten (hoffentlich) kein Problem damit haben, eine Meldung an die betreffenden FF-Netze zu senden, idealerweise mit recht hoher Priorität. Von dort aus müsste die Nachricht „nur noch“ als Broadcast in das Netz gepumpt werden.
Aktuell sehe ich drei technische Herausforderungen, die gemeistert werden müssten:
Ist es möglich, die Protokolle der aktuellen Warn-Apps möglichst originalgetreu zu implementieren, ohne dass es Probleme mit PPA oder der Möglichkeit für Falschmeldungen gibt? Dazu müssten die Protokolle genauer angesehen werden. Optimal wäre es, wenn die Apps direkt auf einen Broadcast bestimmter Pakete reagieren und dabei die Signatur des Absenders prüfen (können). Schwierig wäre es natürlich mit n direkten Verbindungen zum Zentralserver, die zudem allesamt verschlüsselt sind. Technisch einfach, aber gruselig hingegen wäre es, wenn die Apps die Absender nicht einmal überprüfen und einfach jede (Falsch-)Meldung aus unsignierten Datenpaketen anzeigen würden.
Welche zusätzlichen Möglichkeiten würde das Freifunk-Netz bieten? Für alte Windows Clients fällt mir da das gute alte net send * „Warnung…“ ein. Gibt es einen vergleichbaren Standard, im WLAN derartige Meldungen an alle/viele verschiedene Clients zu senden, die dann auch auf den Endgeräten angezeigt werden können (gewissermaßen als Nachricht vom Netzwerkadministrator an alle Nutzer)? Akustische Signale aus dem Router wären vielleicht eine Möglichkeit, aber das dürfte an der verbauten Hardware scheitern. Allenfalls eine LED-Lightshow kann ich mir vorstellen. Das Warnpotenzial dürfte allerdings eher spärlich ausfallen. Ein technisch eher einfach zu realisierender Ansatz wäre vielleicht das Ausstrahlen einer speziellen SSID. Wer gerade ein Netz sucht oder aus anderen Gründen die erreichbaren SSIDs angezeigt bekommt, hätte hier einen Informationsvorsprung. Auch Leute, die von ihrem Mobilgerät immer über ein neues, offenes WLAN informiert werden, hätten eine reelle Chance, die Warnung zu lesen.
Was selbstverständlich nicht fehlen darf, ist die Frage, ob entsprechende Datenpakete priorisiert behandelt werden sollen und ob ggf. sogar spezielle Routing/Sende-Regeln in Kraft treten sollten. Sind priorisierte Katastrophenwarnungen im Einklang mit dem PPA (sollten sie in diesem Fall)? Könnte gar das gesamte Routing/Mesh-Protokoll im Ernstfall den Standardbetrieb kippen und in einen robusten Notfall-Modus wechseln, um Ausfälle zu kompensieren und „unwichtige“ Nutzdaten temporär zu drosseln?
Ein anderes Thema in diesem Zusammenhang wäre natürlich auch das Monitoring der Knoten und eine Reaktion auf massive Ausfälle in einem begrenzten Gebiet, z.B. durch einen Stromausfall oder sogar etwas Schlimmeres. Aber das wäre ein weiteres Fass, das ich hier nicht öffnen möchte.