Fortsetzung der Diskussion von Projekt „100xWLAN“ gestartet:
Folgendes ist meine persönliche Einschätzung, YMMD.
Trotzdem halte ich es für sinnvoll, meine zugegebenermaßen fundamentale Kritik zu verschriftlichen, die ich in persönlichen Gesprächen und Mumble-Diskussionsrunden bislang nur beiläufig angebracht habe.
Es geht mir nicht darum, bestehende Landesförderungen „madig“ zu machen. Vielmehr geht es mir darum, dass sich Menschen in Communities Gedanken machen, ob die Inanspruchnahme von Förderungen in jedem Fall ein Gewinn ist, oder vielleicht doch eher eine Belastung.
Bestandsaufnahme
- Was bietet Freifunk derzeit mehrheitlich für die Knotenaufstellenden und Clientnutzenden:
- ein kostengünstiges Hotspot-Netz mit (nahezu) zeroconf-Ansatz, einfache Erweiterbarkeit per Mesh
- risikofreies Teilen von „daheim selbst nicht ‚aufgebrauchter‘ Bandbreite“ mit Dritten
- barrierefreies, ungefiltertes Internet
(ob das so gut oder schlecht ist: Möchte ich hier nicht diskutieren. Das ist das derzeitige Tätigkeitsfeld von > 95% der aktiv Freifunkenden)
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Die Herausforderungen bestehender Freifunk-Communities (im Rheinland) besteht aus
- Finanzierung von Servern für Supernodes, Map etc
(aus Wartungsaufwandskosten: angemietete Server) - Wartung der Supernodes, Map (Aktualisierung, Backup, Reparaturen)
- Firmwarebau und deren Test (je mehr lokale Anbauten desto aufwändiger bei Versionswechseln)
- Neue Menschen zur Mitarbeit gewinnen für Feierabend-Arbeit für Wartung, Spendensammeln und PR, zur Kompensation der natürlichen Fluktuation.
- Finanzierung von Servern für Supernodes, Map etc
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Was hat es an (Landes-)Förderungen bislang gegeben
- 100xWlan: Freifunkende dürfen Projektmanagement betreiben und Infrastruktur planen, die
- nichts mit der bisherigen Freifunkstruktur der Communty überein hat
- einen erheblichen Zeitaufwand für alle notwendigen Planungen, Bauregie, Konfliktversmittlung benötigt, zumal während regulärer 9-17h-Arbeitszeiten.
Benötigt „Menschen mit Tagesfreizeit, tageslichttauglich“ - Kosten im eigenen Backend verursacht für die Anbindung dieser neuen Standorte/Strecken.
- Fazit:
- Bildungsveranstaltung „Crashkurs Projektmanagement im ÖD“
- Subvention für Installationsbetriebe
- Weiteres Kassenloch im Backbone
- Freifunk-Landesförderung
- Serverhardware für Colocation (keine „Servermieten“)
- Colocation „nur Rackspace+Strom+Traffic“ ist ohne „Geheimdeals“ nicht billiger als komplette Mietserver bei Hetzner/OVH/… (inkl. Traffic und SLA).
Colocation ist selbst „mit Deals“ im Bereich von „nur 20-30% günstiger“ (oder eben latent problematisch ‚kann jederzeit wegbrechen‘ / _ ‚Ports inoffiziell gesteckt‘_ / ‚nicht in der Buchhaltung des Providers‘ , also irgendwie halblegal auf die eine oder andere Art. Und wenn es mal hakeln sollte nicht per SLA reparierbar, weil alles auf GoodWillBasis.) - Eigene Serverhardware erfordert VorOrt-Reaktionsgeschwindigkeit bei Störungen statt simpler Tickets beim Provider
- Eigene Serverhardware verursacht potentiell fatale Kosten bei Defekten oder mindestens lange Ausfallzeiten „bei Garantieabwicklung mit Herstellern“. Risiko „mit privatem Geld“ im k€-Bereich defekte Server über Nacht kompletieren zu müssen.
- Fazit:
- Himmelfahrtskommando für die Admins
- Controlling in Unternehmen forciert nicht grundlos Leasing/Miete statt Erwerb+Abschreibung
- Colocation „nur Rackspace+Strom+Traffic“ ist ohne „Geheimdeals“ nicht billiger als komplette Mietserver bei Hetzner/OVH/… (inkl. Traffic und SLA).
- Serverhardware für Colocation (keine „Servermieten“)
- 100xWlan: Freifunkende dürfen Projektmanagement betreiben und Infrastruktur planen, die
(Mir ist klar, dass diese beiden Förderungen sich teilweise überschneiden.)
Selbstverständlich ist es schön, wenn Freifunk dann mal etwas anderes tut als bisher. Also Backbone-Richtfunk baut… Wenn es denn wenigstens Sinn ergeben würde. Man könnte dafür auch neue Menschen gewinnen, die bislang nicht bei Freifunk mitgemacht haben. Dieses habe ich jedoch nicht beobachten können (please raise your hands…)
Kostenineffektivität
Ergibt solcher Wireless-Backbonebau denn Sinn?
Tut es in urbanem Gebiet nicht, wenn man das so professionell (mit Drittfirmen) tut, dass jede Strecke pro Endpunkt mindestens 10k€ kostet. Oder mehr, wenn man über mehrere Hops muss. Und dann trotzdem noch einen Uplink oder Port in einem lokalen RZ bezahlen muss.
Man bekommt also eine Strecke bestenfalls 500MBit/s brutto(!) für rund 10k€. Abschreibung/Lebensdauer: 3 Jahre… (darf aber nichts kaputtgehen, nach 5Jahren definitiv hinüber/veraltet)… und dann hat man diesen Link auch noch nicht per Peering an einem Internet… Also auf den Monat gerechnet rund 150-250€ für diesen Freifunk-Wireless-Link.
Die mir bekannten Wireless-Backbones „im infrastrukturschwachen Gebiet“ (wo man eben 200MBit/s nicht für 150€/Monat bei kommerziellen Providern bekommt) sind aus mir nicht bekannten Gründen immer „privat finanziert/gesponsort“ entstanden, in Eigenleistung, zu einem Bruchteil der Kosten.
Wieviel „schlüsselfertiges Internet“ bekommt man denn in urbanen Gebiet für 200€/Monat geliefert? An einem bedarfsgerechten Installationsort genau nach Wunsch, wo man sich keinen Kopf um „da ist gerade mal freie Sicht“ und „vom Denkmalschutz geht’s auch“ machen muss? Ich tippe auf deutlich über 200MBit/s netto(!).
Unter dem Gesichtspunkt ist der Bau eines Wireless-Backbones durch BLB&Co schlicht auch eine Verschwendung von Steuergeld.
Aber was wenn die Welt untergeht
Und nein, bitte komme mir jetzt niemand mit der Zombie-Apokalypse, der man mit Freifunk dann trotzen könne. Abgesehen davon, dass wir so viele SinglePointOfFailure haben, die dann auch im Freifunk zuschlagen: Wer so argumentiert steht schon mit einem Fuß im Lager der Prepper vom Nordkreuz.
Was mich ärgert
Mich ärgert, dass die Förderung keine der Herausforderungen der Communities auch nur ansatzweise adressieren, sondern die Probleme „Personalknappheit“ und „Geldknapheit“ sogar noch eklatant verstärkt.
Und für diesen geschenkten Gaul darf man dann dankbar sein. Oder soll zumindest denjenigen Tribut zollen, die das eingebrockt haben. (hanlon applies)
Es mag sein, dass das Land nicht anders fördern kann als „nur physikalische Infrastruktur“, Förderungen auf kommunaler Ebene sind meines Erachtens durchaus glücklicher gelaufen, da dort reale Bedarfe der Communities adressiert wurden. Sei es für Servermieten, sei es für PR/Marketing-Hilfe.
Nur wenn dem so sein sollte, dann sollte man sich durchaus überlegen, ob man es denn fortsetzen möchte, wenn klar ist, dass es potentiell mehr schadet als nutzt, wenn es begrenzte Resourcen an Zeit und Spendengeldern weiter verknappt und potentiell sogar Mitstreitende ausbrennen lässt.
Und natürlich wird auch niemand gezwungen die Förderungen zu nutzen. Aber allein die Diskussion darüber und Prüfung der Optionen hat in einigen Communties schon mehr als zu viel Resourcen verschwendet als sinnvoll „über“ waren.
Gegenpositionen
Es würde mich durchaus freuen, wenn es zu meiner Meinung eine Gegenposition gibt, wünschenswerter Weise jedoch „in sich geschlossen“, ohne sich vermutlich durchaus „unstimmigen Details“ in meiner obigen Bestandsaufnahme entlangzuhangeln. (Fehler darin werde ich selbstverständlich gern korrigieren.)